by Dr. Peter Steiner
Der Ursprung des heute vor allem im Aargau beheimateten Geschlechtes liegt im Kanton Luzern. Der erste bekannte “Houri,” taucht in den Quellen 1313 in Beromünster auf. Früh lebte das Geschlecht auch in Sursee. Von diesen Orten aus muss es sich ins Seetal (schon 1454 in Seon bezeugt), ins Wynental (1470 in Reinach) und ins Suhrental (1500 in Staffelbach) verbreitet haben. Sowohl in Reinach als in Staffelbach scheinen sich die Hauri von Anfang an als Müller betägtigt zu haben, was auf die enge Verwandtschaft der beiden Zweige deutet.
Der Stammvater der Reinacher Hauri hiess Welti. Schon bejahrt, trat er 1470 in Sursee als Kundschafter auf. Er erinnerte sich, dass einst die Herrschaft Osteirrelch fiber die Stadt regiert hatte, und er gab an, sein Vater sei vor Zeiten Landvogt des Michelsamtes gewesen2. 1481 finden wir einen Welti Hauri, wohl Sohn des erstgenannten, im Reinacher Richterkollegium. 1489 errichtete dieser gicich der Miihie gegenuber das möglicheeweise erste steinerne Wohnhaus des Dorfes. In den Ausmassen noch bescheiden, stelite es den Kern des nachmatigen Schneggen dar (Nr. 18). Es karn an die Stelle eines mittelalterlichen Gebiiudes zu stehen, das bereits den Namen ho. f by der oberen bruckgetragen hatte*.
* Es hat sich ein Ziegel aus dem Baujahr 1489 erhalten (Sammiung der Historischen Vereinigung Wynental). NZeres fiber den Schneggen und seinen Vorliiufer ist nachzulesen in Steiner, Schneggen.
Welti junior scheint zwei Söhne besessen zu haben, einen oft erwiihnten Heini und einen in einer einzigen Quelle zweimat aufgefiihrten Hans. Heini Houri (I 500 ca. 15 30) ilbernahm wiederholt eine Zehntpacht und wirkte sicher 1519, vermutlich auch 1507 und 15 22 am Reinacher Gericht mit3. Miiller war wohl sein Bruder Hans. Heini wohnte niimlich im Mitteldorf (wahrsch. Nr. 123), w;ihrend Hans Eigentiimer des vona Vater erbauten Hauri-Stammhauses gewesen scin diirfte4. Nachfolger im Besitz von Miihle und Hof wurde Welti Houri 111. (genannt seit 1520, + 15 57158), der mutmassliche Sohn von Hans. Scit 15 27 wird er ausdriicklich als Miiilet erwiihnr. In den 30er und 40erjahren bekleidete er rnehrmals das Untervogtsamt; zwischenhinein (1537) trat er als einfacher Richter <@ins Glied zuriick-5. Zu den viterlichen Giitem erwaxb er um 1545 weitere, zu denen ein Haus im heutigen Stumpenbach (Nr. 33+)gehi5rce. Im Bereich von Miihieund Hof bei der oberen Briicke verfiigten er und seine Nachkommen fiber ausgedehnten, zusammerdtingenden Gnmdbesitz. Westlich der Landstrasse erstreckte er sich von der Angelgasse bis hinauf zum Giipf-weg (Winkelstrasse); auf der dstlichen Seite reichte er zwischen Strasse und Wyna mit heutigen Gebiiuden gesprochen von der Bank in Reinach bis zurn Niihcenter Ddssegger und jenseits der Wyna vom Wynenhof bis zur Spitaistrasse. Die Hauri dominierten fiber mehrere Generationen hinweg den oberen Teil des Oberdorfes besitzmiissig vollstindig. Selbstverstandlich gehbrten zu ihrer Besitzmasw auch zahireiche fiber die drei Zeigen verstreute Acker.
Weltis Erbe und Nachfolger im Müllerberuf wurde sein Sohn Galli Howri (1552, + 1571/72). Auch er stieg wiederholt ins Untervogtsamt auf. Seine Söhne waren Fridli und Hans; von den Töchtern erwähnen wir Margret. Die Geschwister scheinen infolge verwandtschaftlicher Beziehungen mit den Gerig irn Steckhof Burg g. @nz oder teilweise in den Besitz dieses Hofes gekommen zu sein. Fridii wohnte voräbergehend auch dort (1574). Als die Schwester Alargret 1575 den vom Bazberg stammenden Martin Burger heiratete, äberliessen die Gebrdder Hauri den Burghof offemichtlich dem jungen Ehepaar. Fridli bebaute von da an den Gäpfhof, den sich die Hauri ebenfalls gesichm hatten8. Die Bffider Fridli (* um 1550, + nach 1618) und Hans Hauri begäindeten zwei Familienzwcige, wobei derj@ge von Hans wirmhaftfich-sozial und zahlenm. 4ssig der bed4@uteädere wurde. Der Reichtum des Geschlechts scheint sich auf Hans und seine Nachkonimen konzentriert zu haben. Fridli hatte offei-. bar keinen Anteil am Miffleqewerbe, und sein Sohn Galli (*ca. 1570) starb 1632/33 bt:-reits als Tauner*. Bezeichnenderweise beklel;deten weder Fridli noch Ga. Hi Dorfimter. Gailis Sohn Raddf(* 1604, + 1674), Kilruecä oder auch Häbefruedi genannt, besass auss! c dem vom Grossvater ererbien Gäpfhof (nui Haus auf dem Häbel oder -by dem Elenden Creätz>>) mit dem zugehörigen Baumgarten kaum viel Iand9. Von seinen fänf Söhnen aus drei verschiedenen Ehen blieben die drei alte. ren ohne Nachkoinmen, und der vierte start 15jihrig. So blieb einzig Ueli (* 1665), der jilngste, äbrig. Doch dieser geriet infolge seiner Armut auf die schiefe Bahn und wurde 1698 als Berufsdieb zum Tode verurteilt (S. 240 ff. ). Es ist unter diewn Umst. 4nden ungcwiss, ob Fridli Hauris Zweig damit nicht erlosch. Uelis Frau hatte zwar mehrere Kinder geboren, abet deren Scbicksal liegt im dunkein. Ob der 1697 in Regensdorf getauft-e Heinrich den Zweig in Reinach fortsetzte? Er könnte nämlich identisch gewesen scin mit Heinrich Hauri-Heiz (1720), genannt der Kleine, der genealogisch nicht sicher einzuordnen ist.
* Gallis jüngerer Bruder Ulrich (* 1591) zog nach Menznau LU weg, wo er vor September 1618 zuni Katholizismus konverrierte (Zeimhrift fdr Schweiz. Kirchengeschichte 1936,12).
[Illustration] Der Schneggen erhieltfeine mdgwtige Gestalt 1604-1606 durck Untemogt Hans Hauri. Die 1988 nach der Restauration entstandene Agfnahme gibt den ursprafnglichen Zastand besser wieder als dltere Form.
Hans Hauri (* 1556, + 1625/26), der Begründer des jidngeren Familienzweiges, war zweifellos die markanteste Persbalichkeit seines Geschlechts. Als Mijiler und Grossbauer, Tavernenbesitzer, Eigentdmer einer Schmiede und Zinsbezäger von Gütern in Beinwil (16 1/2 Stuck), im Wilhof (5 Stuck) und in Niederwil (4 1/2 Stuck) war er der reichste Reinacher seiner Zeitl(. Es vervvändert uns nicht, dass er auch im Dorfleben die erste Rolle spielte. Von 1586 bis 1620 wurde er mit einem Unterbruch von 8 Jahren immer wieder als Untervogr gewihit. Als solcher war er auch Obmann des Chorgerichts. Seit 1601 standen er und sein Sohn Ruedi der neugegrändeten Reinacher Feuer wehr als Feuermeister vorll. Hans Hauri verdankte seine äberragende Stellung nicht nur der Abstammung von begäterten und reichen Ettern, sondern ebensosehr der persbnlichen Initiative und einem zlhen Behauptungswillen. Selbst die nächsten Verwandten mussten sich neben ihm ducken, so offenbar sein Bruder Fridli und im Mähiestreit von 1592 (S. 133) sein Schwager Martin Burger. Auch das ererbte Wohnhaus vis-@L-vis der Mähie solite von Macht uxid Reichtum seines Besitzers känden. Sch-on 1583 gab Hauri einen Erweiterungsbau nach Westen in Auftrag. In these Bauetappe gehart das Sffibchen im Erdgeschoss mit den feinen Nussbaumintarsien (Foto S. 110). Den entscheidenden Ausbau aber veranwste der Dorfgewaltige 1604: Nun wuchs das Gebiude gegen Säden zu doppelter Breite an und wurde dutch den vorgesetzten Turm mit der gewundenen Treppe zum Schneggen. Stolz schtnäckte der Untervogt sein Haus auch mit dem persönlichen Wappen, zuerst im Intarsienstäbchm (I 586, Foro S. II 0), dann aussen fiber dem Turmeingang (1605). Es war vermutlich das erste Mal, dass ein Reinacher Familienwappen verwendete.
[Illustration] Wappen des Schaeggen-Erbauers Hans Hauri mber dem Eingang zaem Turm, von 1605. Aafnahme 1960.
Von Hans Hauris vier Sohnen starben die cirei älteren, Rudolf, Hans Heinrich und Franz, verhiltnismissig jung, wobel nur der letztgenannte einen mnnnlichen Erben hintertiess. So war es dem iiingsten Sohn Jacob (* 1604) vorbehalten, das vaterliche Erbe anzutreten. Von spiitestens 1638 war er bis an sein Lebensende Untervogt. Das Amt blieb nun wie ein vererbbares Recht bis ins friihe 18. jahrhundert in der Farnilie Hauri. In einer Beziehung iibertrafjacob scinen Vater: Ihm wurde als einzigem Reinacher in der Berner Zeit die Ebre zuteil, zum Lenzburget Grafschaftsuntervogt aufzusteigen, zum Stelivertreter des Iandvogts also.
Auch Jacob Hauri besass vier Söhne, wovon Rudolf (* 1622) 1650 nach Seengen wegzog. Er begriindete dort einen eigenen Familienzwei mit einem Seltentrieb in Frankreichl2. Unter den iibrigen Briidem wurde eine Teilung des Besitzes unvermeidlich. Jacob 11. (* 1628) und Hans (* 1634) iibernahmen je eine Schneggenhiilfte, I-Ieinrich (* 1642) die Midhie. Siidlich davon erbaute sich dieser 1688 als neuen Wohnsitz den Kicinen Schneggen oder das Schneggli (Nr. 16, Foto S. 211)13. Wdhrend Jacob keine hbheren Amter bekleidete, waren Hans und Heinrich nacheinander Untervogt.
Das Geschlecht, das fiber viele Generationen zur Hauptsache auf einem Triiger beruht hatte, vermehrte sich nun sehr rasch. Nicht weniger als 5 Sbhne von Jacob, 4 von Hans urid 2 von Heinrich setzten es in Reinach fort. Ein weiterer Sohn von Heinrich, Hans (* 1673), iibersiedette auf die untere Miihle in Lenzburg und wurde zum Biirger der Stadtl4. Den Mdllerberuf in Reinach iibte dessen gterer Bruderjacob HauriSuter (* 1662), weiter aus. Die Söhne von Jacob 11. und Hans mussten sich zum guten Tell nach neuen Wohnsitzen umschen, da neun kinderreiche Familien auch im gergumigen Schneggen nicht Platz hatten. Zum Teit waren noch ihre Vdter fdr Hduser besorgst, zum Teil kauften oder errichteten die jungen EhemFLnner ihr ffeim selber. Es waren keine Turrnbauten mehr, sondern gewijhnliche Bauernhiiuser. Von Jacobs Sdhnen zog der iilteste, Rudolf, in den Alzbach, der zweitiilteste, Jacob, ins Haus seiner Frau in den Holenweg. lhre Bridder und Vettern blieben lm Oberdorf, verliessen aber den Schneggen nach und nach ebenfalls. Jacobs jiingste Söhne, Heinrich (Ehefrau Elsbech Eichenberger) und Barchi kauften die Nachbarhiiuser im Siiden des Schneggen (Nr. 15 und Nr. 12). Der mittlere Sohn Samuel liess sich in einem Neubau rechts der Wyna nieder (Nr. 133 in der Gegend des heutigen Wynenhofes). Gleichfalls einen Neubau bezogen zwei Söhne von Hans, Jacob Hauri
[Illustration] All. ,anzsche. rhe du Grafschaftsunte?wgtsjacob Haury umd seiner Ebefrau Verena Keller ton 1660. Oben sindfifr den Muller u-ichitge Tatzgkeiten dargeittlit Pflugen undnfablen. Die Scheibe befindtt sich im Fine Arts Museum in San Francisco. (Reprodmktionsbet@41ligmng vom 15. 8. 1995).
Fischer und Rudolf Hauri-Meier (Nr. 139 an der Bromenstrasse), ebenso ihr Bruder Ham f4auri-Eichenberger (Nr. 134 jenseits der giihie). Der vierce Sohn von Hans, Heinrich Hauri-Hediger, erbaute das erste Haus in der Schoren, was seinen Nachkommen den Zunarnen Schorenbauers eintrug, auch wean sic lgngst anderswo wohnten. Am lgngsten im Schneggen, bis 1728, lebte Mailer Heinrichs jiingster Sohn Heinrich (Ehefrau Susanna Eichenberger). Vbllig verarmt landete dieser abet schliesslich in einem bescheidenen Hausanteil im Winkel (Nr. 7)15.
Die starke Vermehrung des Geschlechts war dem Hauri-Vermbgen schlecht bekommen. Erbteilungen hatten es in kleine Teile zersplittert. So vermochte schliesslich kein Familienmitglied den Schneggen mehr zu hatten. Nicht besser ging es mit der MiiWe, die durch den Auskauf von Geschwlsmm finanziell stark belaster war. Immer weitere Hypotheken mussten aufgenommen werden. Nach dem Tod von Jacob Hauri-Suter (I 609 oder 16 1 0) folgren dessen Söhne Heinrich und Hans joggeli als Mailer nachl6. Schon 1714 eriagen sic der unertriiglich gewordenen Schuldenlast, und die Miihle seit 2 50 jahren in der Familic ging gantweise in fremde Hiinde fiber (S. 133). Heinrich Hauri verliess Reinach, wo er keine Verdienstmöglichkeit mehr sah, und verzog sich mit seiner Familie ftir 20 Jahre ins Elsass.
Der wirtschaftliche Niedergang der Hauri wirkte sich auch auf ibre Stellung im Dorf aus. Als Untervogt Heinrich 1707 garb, war es mit der Hauri-Dynastie zu Ende; der Gerichtsstab ging ftir immer an andere Familien fiber. Der erste neue Untervogt war immerhin ein Verwandter, der Schwiegervater eines Hauri. Ganz verschwanden anch die Hauri selber nicht aus dern dffentlichen Leben. Fiir fast 90 jahre (bis 1795) und fiber drei Generationen konnte sich die Linie von Hans Hauri-Eichenberger md das bescheidenere Amt des Gerichtsweibels nochmals eine Art Erbrecht sichern. 1705-1741 war Heinrich Hauri, ein sechster, verrnutlich unverheirateter Sohn von Jacob II. , auch C-icrichtssiisse. Doch die grossen Zeiten der Hauri waren vorbel. Nur drei familieneigene Stilhle im Chor der Reinacher Kirche erinnerten bis weit ins 20. jahrhundert hincin (Innenrenovation der 60er jahre) an ihre einstige Machtstellungl7.
[Illustration] Hans Hauri-Gautschi, 1875-1948, Negotiant, T,schm. che,-Zu,e,g
[Illustration] Ernst Hauri, 1874-195 7, Lehrer, Samuels, Schneiderhansen-Zweig, und seine Frau Marie Fuchs, 1880-1965, Hrinrichs, von Reinach, Schwester vm Oskar aufseite 2 92
[Illustration] Adolf Hauri-Giger, 1876-1950, Axfseher, Giger-Z-ig